Melancolia I

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Zuletzt bearbeitet am 07.05.2023 18:07
Melencolia I ist eine viel interpretierte Druckgrafik von Albrecht Dürer. Zwei Genien bestimmen die Szene, in der es um einen Mutter-Sohn-Konflikt geht. Die ältere Mutter zeigt sich als Temperament im Quadrat (bzw. Hexaeder) dem Saturn zugehörig, während ihr Sohn - hier als kleiner Knabe sichtbar - ebenfalls ein Temperament im Quadrat aufweist. Nur ist der kleine Knabe 90° vor dem Ort seiner Mutter im "Planet Luna" aus Sicht eines Beobachters kenntlich gemacht. Beide versuchen die Szene im Nachhinein zu untersuchen. Da die Sternkunde und Säftelehre ihren Wert im Laufe der Ereignisse verloren hat (z. B. Entdeckung weiterer Planeten im Sonnensystem) ist die damalige Sichtweise für uns heute schwer zu verstehen. Im David Herlicii Kalender aus Nürnberg ist der 1. Arilis von 1641 nach julianischer Zeitrechnung ein Schicksalstag in dem Saturn und Mond im Quadrat stehen. In den acht Büchern des Wissens von Julius Firmicus Maternus, (Tübingen, 2008, S. 257–258) wird bemerkt: „Die Quadratur Saturn-Mond, Saturn oberhalb und im rechten Quadrat zum Monde, lässt den Körper der Nativen von boshaften Säften geplagt werden. Aus Trägheit und Faulheit scheuen die Geborenen jede Betätigung und nichts wagen sie zu unternehmen. Diese Konstellation zerstört das mütterliche Erbteil stets oder die Söhne lehnen sich gegen die Mutter auf, greifen sie an, ja, tragen sich sogar mit der Absicht, sie zu ermorden“. Diesen Sachverhalt hatte Dürer meisterhaft dargestellt und noch weiter modifiziert. Saturn ist von Osten her über den Horizont aufgegangen, er ist mit Melencolia I betitelt (Firmicus Maternus beschreibt hier zwei Abschnitte der Melancholie) Kurz über dem Horizont ist ebenfalls Luna aufgegangen, hier im Bild leider nicht zu sehen. Zwei Planeten im Abstand von 90° werden immer als Quadratur angesehen, es kennzeichnet das Element Erde und untersteht dem Saturn. Luna ist sozusagen im Quadrat gefangen. Alles wirkt wie eingefroren, jeder wartet auf das drohende Urteil. Interessant ist das sechsseitige verschobene Gebilde. Es ist eben kein Hexaeder, doch nach wenigen Augenblicken wird das Gebilde zum entscheidenden Würfel (im Schnitt, Quadrat). Der Würfel ist nämlich um einige Gradzahlen als Parallelogramm verschoben. Diese Gradzahlen kennzeichnen die Grenzen, die innerhalb jedes Tierkreiszeichens verschieden sind. Es ist also vor der Gestalt des Hexaeders noch Zeit, etwas zu unternehmen. Ein Aderlass könnte kurz vor der Niederkunft die schlechten Säfte im Blut ausleiten, so dass der geborene Knabe davon befreit wäre. Die Trigone sind ebenfalls im werdenden Hexaeder zu sehen. Die Trigone stehen bei einer Ausleitung immer im Gegensatz z. B. Erde zu Luft. Die Mutter im Bild ist hier Melancholikerin und ihr Sohn wird Choleriker. So schneiden die gleichseitigen Dreiecke (Trigone) den Würfel. Die gleiche Situation im Herlicii Kalender geht allerdings etwas anders aus, da das Quadrat im Skorpion - einem Wasserzeichen - liegt. Der Ikosaeder steht wie das Sechseck für Wasser. Das Trigon passt sich dem Wasserzeichen an, ohne es zu schneiden. (Dazu Wenzel Jamnitzer, Perspectiva. Corporum regularium von 1568.)

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