Katholisches Anleitungsbuch
Erziehung ist von Beginn an ein wichtiger Aspekt von Kinder- und Jugendliteratur. Das wird besonders in Anleitungsbüchern deutlich, in denen Jugendlichen direkt vermittelt wird, wie sie sich in die Gesellschaft einzufügen haben. Die individuellen Probleme, die dabei entstehen können, werden schon ab dem 19. Jahrhundert thematisiert und mit unterschiedlichen Lösungsansätzen beantwortet – bei diesem Buch von A. M. Rathgeber aus katholischer Perspektive.
Alfons Maria Rathgeber / Gauting b. München [1930] / Sammlung Wehner
So genannte Backfischromane
Ein besonderes Genre der Mädchenliteratur ist der sogenannte Backfischroman, zu dessen frühesten Texten Emmy von Rhodens Der Trotzkopf gehört. In den Romanen fällt ein junges Mädchen durch abweichendes und lebhaftes Verhalten auf. Sie wird auf ein Internat geschickt, wird angepasster und findet ihr Glück als Hausfrau und Mutter. Die Romane waren bis in die 1970er verbreitet. Schon früh hat Else Ury das Genre mit ihrer Nesthäkchen-Reihe moderner ausgestaltet: Die Hauptfigur wird mit ihren ‚Fehlern‘ geliebt; Bildung erhält einen höheren Stellenwert.
Emmy von Rhoden + Else Ury / Stuttgart 1888 + Berlin [ca. 1920] / Sammlung Seifert
Politische Positionierungen von Mädchenbüchern
Mädchenbücher gibt es seit dem späten 18. Jahrhundert. Sie sollen junge Frauen auf ihre Rolle in der Gesellschaft vorbereiten – eine Rolle, die im Laufe der Zeit immer wieder anders interpretiert wurde. In diesen Büchern aus dem Jahr 1938 geht es um arbeitende Frauen. Dabei zeigen sich deutliche Unterschiede: Bei Hoerner-Heintze werden ganz im Sinne der NS-Ideologie Fürsorge und Selbstaufgabe für die ‚Volksgemeinschaft‘ propagiert. Bei Michaelis entwickelt sich die Protagonistin hingegen zu einer ethisch denkenden und arbeitsamen Frau.
Karin Michaelis + Suse Hoerner-Heintze / Zürich 1938, + Berlin [1938] / Sammlungen Seifert + Wehne
Emanzipatorische Mädchenbücher unterschiedlicher Zeiten
Zu den etwa 35.000 Bänden der Göttinger Sammlung historischer Kinder- und Jugendliteratur gehören mehr als 5.000 Mädchenbücher des 18.–21. Jahrhundert. An ihnen lässt sich der historische Wandel von Geschlechterrollen besonders gut nachvollziehen. Dabei ist das jeweilige Buch immer im Kontext zu sehen: Was uns heute vielleicht antiquiert vorkommt, kann zur Entstehungszeit ausgesprochen progressiv gewesen sein. So wie bei diesen Büchern, die an emanzipatorische Diskurse ihrer Zeit anknüpfen.
Laura Lee Hope + Patricia Mennen u. Birgit Rieger + Dagmar Chidolue / Stuttgart 1929, Ravensburg 2002, Weinheim 1991 / Sammlung Wehner + Bibliothek Dahrendorf
Sammlungen historischer Kinder- und Jugendliteratur
Kinder- und Jugendbücher wurden von Universitätsbibliotheken nur äußerst selten gesammelt, weshalb Quellen literarischer Kinderkultur der zurückliegenden Jahrhunderte nicht überall zu finden sind. Die Universität Göttingen hingegen kann die Sammlungen historischer Kinder- und Jugendmedien Vordemann, Seifert und Wehner, die Bibliothek Dahrendorf sowie einen stetig fortgeführten Bestand aktueller Kinder- und Jugendliteratur vorweisen.