Blüten und ihre Bestäuber
„Für Forschung und Lehre“ wurden die Botanischen Gärten einst gegründet. Aber Albrecht von Haller, der hier mit seinen Studierenden Staubbeutel gezählt und ihnen die Merkmale der Pflanzenfamilien vermittelt hat, hätte wohl kaum für möglich gehalten, dass Botanische Gärten einmal zu wertvollen Ersatzlebensräumen für heimische Tierarten werden. Viele Arten von Insekten sind in ihrer Existenz bedroht, weil sie in unserer modernen Agrarlandschaft keine Blüten und Futterpflanzen mehr finden. Seit vielen Jahren arbeitet der Alte Botanische Garten auf blütenökologischer Grundlage an einer stetigen Verbesserung der Nahrungsgrundlagen auch für spezialisierte Insektenarten.
Die Vielfalt der Ananasgewächse (Bromelien)
Man kann nicht alles sammeln – das gilt besonders für Botanische Gärten, denn der Erhalt von Lebendsammlungen erfordert höhere Aufwendungen als der „toter“ Objekte in Schränken und Magazinen. Daher vernetzen und koordinieren die Botanischen Gärten Ihre Sammelpolitik, um gemeinsam einen möglichst großen Teil der bedrohten Diversität zu erhalten und zugänglich zu machen. Einer der Schwerpunkte im Alten Botanischen Garten sind die Ananasgewächse (Bromelien). Die umfangreiche und gut dokumentierte Sammlung ist nicht nur von wissenschaftlichem Wert, sondern enthält auch zahlreiche Arten, deren Standorte in freier Natur nicht mehr existieren und die nur noch in Menschenobhut fortleben.
Dokumentation und Erschließung der Vielfalt
Seit Gründung der ersten Botanischen Gärten in der Renaissance stehen diese in regem Austausch von Knowhow und Pflanzenmaterial. Äußerst bequem lassen sich Pflanzen in Form von Saatgut versenden und verbreiten, und die Göttinger Samenverzeichnisse waren über lange Zeit begehrte Publikationen, in denen sogar neue Arten veröffentlicht wurden.
Ein besonders eindrucksvolles Zeugnis vom hohen Niveau des Göttinger Gartens ist die von Gartenmeister Carl Bonstedt herausgegebene „Pareys Blumengärtnerei“ (1931). Das zweibändige Handbuch stellte über Jahrzehnte ein Standardwerk über winterharte und exotische Pflanzen und ihre Kultur dar.
Biologische Kunst auf Papier und Haut
Die Schönheit der Pflanzen und Tiere hat von jeher Künstler inspiriert: ob als dekoratives Beiwerk religiöser Andachtsbilder wie in Mittelalter und Renaissance, als barockes Stilleben, wissenschaftlich exakte Illustration, als gerahmter Wandschmuck oder als Tattoo. Zunehmend dienen Pflanzen und Insekten aus dem Botanischen Garten als Vorlage für Buchillustrationen, Drucke und Tätowierungen, und immer mehr Studierende, Wissenschaftler, Gärtner und andere Naturaffine in Göttingen und ganz Deutschland sind mittlerweile über ihr Tattoo mit dem Alten Botanischen Garten verbunden.
Alter Botanischer Garten
Der Botanische Garten an der Karspüle wurde 1736 gegründet und gehört damit zu den ältesten Einrichtungen der Universität. Von Albrecht von Haller als Hortus Medicus konzipiert, erfüllt der Garten bis heute eine wichtige Funktion in der botanischen Forschung und Lehre. Darüber hinaus wird er von ca. 100.000 Besucherinen und Besuchern jährlich als „Fenster zu Natur“ geschätzt und ist zudem als innerstädtischer Biodiversitäts-Hotspot Heimat für viele, teils seltene Tierarten geworden.
Da die teils gepflegte, teils naturnahe Gartenanlage seit ihrer Gründung mit der gleichen Funktion an gleicher Stelle geblieben ist und auch die historischen Gewächshäuser die Weltkriege unbeschadet überstanden haben, stellt die charmante Anlage nicht nur biologisch und kulturell, sondern auch historisch ein kostbares Kleinod der Universität dar.