Bestattungen auf dem Friedhof von Alt Inden (Nordrhein-Westfalen)
Archäologische Siedlungs- und Friedhofsgrabungen öffnen uns ein Fenster in die Vergangenheit. Sie sind Voraussetzung, um uns einen Einblick in die Lebensrealität und die Vorstellungswelt unserer Vorfahren zu ermöglichen. Eine besondere Rolle kommt dabei den anthropologischen Befunden menschlicher Skelettüberreste zu. Sie vermitteln uns Kenntnisse zu demographischen und sozialen Strukturen geschichtlicher und vorgeschichtlicher menschlicher Gemeinschaften und deren Wandel durch die Epochen.
19. Jahrhundert
Starke Dekompositionsphänomene an einem Oberschenkelknochen
Alle Gewebe eines Organismus sind vergänglich. Der Abbau der Weichgewebe wird vorwiegend durch körpereigene Enzyme befördert, dagegen ist für den Abbau der Knochen die Bodenchemie von großer Bedeutung. Je saurer der Boden, desto schneller löst sich Knochen auf. Ist er basisch, können Knochen über Jahrtausende praktisch intakt erhalten bleiben. Diese Abbauprozesse, auch Dekomposition genannt, sind entscheidend für die Qualität der morphologischen und molekulargenetischen anthropologischen Analysen.
mittelalterlich
Oberschenkelknochen mit pathologischer Veränderung infolge einer Knochenmarksentzündung
Infektiöse Erkrankungen waren früher die häufigste Todesursache. Neben den epidemisch auftretenden Infektionserkrankungen (Pest, Tuberkulose, Cholera und Typhus), die viele Leben kosteten, konnten auch entzündete Verletzungen einen tödlichen Verlauf nehmen. Erreichten eitrige Entzündungen den Knochen (Osteomyelitis), folgte ein oft jahrelanges Siechtum mit deutlichen Veränderungen der Knochenstruktur. Erst mit Entdeckung des Penicillins wurden solche Erkrankungen in den 1930er Jahren behandelbar.
19. Jahrhundert
Unterkiefer eines etwa 6-jährigen Individuums
Demographische Strukturen sind zentrale Charakteristika von Bevölkerungen. Neben dem Geschlecht ist vor allem das Sterbealter ein informatives Datum. So war die durchschnittliche Lebenserwartung in der (Prä-)Historie niedriger als heutzutage, nur wenige Menschen wurden bedeutend älter als 60 Jahre. Zur niedrigeren Lebenserwartung trug vor allem eine hohe Kindersterblichkeit infolge von Infektionserkrankungen bei, vom Mittelalter bis in die Neuzeit erreichte nur jedes zweite Kind das Erwachsenenalter.
mittelalterlich
Anthropologische Sammlung
Die Sammlung der Abteilung für Historische Anthropologie und Humanökologie gehört zu den relativ jungen Sammlungen der Universität. In den 1950er-Jahren wurde der Grundstock durch die Überlassung einer umfangreichen Sammlung menschlicher Schädel aus dem Hamburger Völkerkundemuseum gelegt. Die Kieler Remane-Sammlung mit Primatenschädeln ergänzte diese in den 1970er-Jahren. Inzwischen enthält die Göttinger Sammlung zahlreiche Skelettserien unterschiedlicher Zeitstellungen aus verschiedenen Regionen Deutschlands. Sie wird ständig um (prä)historische Skelette erweitert, die nicht für eine Wiederbestattung vorgesehen sind.